Beratung
Für Beratungsanfragen bei exzessiver Mediennutzung kann auf das bereits bestehende Beratungs- und Präventionsangebot der Suchthilfe zurückgegriffen und um das Themenfeld des exzessiven Mediengebrauchs erweitert werden.
Eine Angliederung des Angebotes kann beispielweise an eine JugendSuchtBeratung erfolgen. Dort werden zwei entscheidende Komponenten für die erfolgreiche Versorgung der Zielgruppe der Jugendlichen und deren Angehörige bereits vorgehalten:
- zum einen die bereits bestehende Fachkompetenz für das Thema Sucht (und damit verbunden bei Bedarf die Weitervermittlung in die Behandlung) und
- zum anderen der niedrigschwellige Zugang zu einer bereits für die Zielgruppe etablierten Einrichtung.
Als weitere Anlaufstellen können Suchtberatungen und Erziehungsberatungsstellen fungieren. Die Grenzen der Zuständigkeit verlaufen fließend. Als Richtschnur kann das Alter des Kindes dienen: je jünger das Kind, je mehr es um das Thema "fehlende Grenzen" durch die Eltern geht, desto eher kann die Erziehungsberatungsstelle die passende Anlaufstelle sein.
Das Wissen der Suchtberatung um spielimmanente Suchtfaktoren bei Videospielen, um Rückfallprophylaxe und andere suchtspezifische Merkmale qualifiziert sie im Falle von Jugendlichen, die in ihrer Mediennutzung schon deutlich höhere Risiken eingehen.
Die Vielfalt, die mit dem Thema "digitale Medien" verbunden ist (z.B. exzessiver Konsum, Cyber-Mobbing, Pornosucht, Sexting), macht es nötig, dass die Fachkräfte vor Ort gut miteinander vernetzt und in ihren jeweiligen Zuständigkeiten klar sind. So können sie bei unterschiedlichen Anfragen passgenau weitervermitteln. weitere Institutionen sollen in das örtliche Hilfenetz eingebunden werden.
Beraterische Ansätze
Die Erfahrung zeigt, dass die Zielgruppe der jugendlichen riskant konsumierenden Mediennutzer*innen nur selten eigenmotiviert eine Beratungsstelle aufsucht. Vielmehr sind es Eltern und andere Bezugspersonen, denen die exzessive Nutzung erstmalig auffällt und Sorgen bereitet. In einigen Fällen sind die Eltern auch unnötig über das Spielverhalten ihrer Kinder besorgt und können in der Beratungsstelle aufgeklärt und informiert werden.
Für die Beratung ist der Ansatz der motivierenden Kurzintervention sehr hilfreich. Es wird nicht vorausgesetzt, dass die betroffenen Personen eigenmotiviert an ihrer Mediennutzung etwas ändern möchten. Der gesamte Beratungsprozess beinhaltet auch den Aufbau von Motivation zur Veränderung. ("Motivational Interviewing" ist als Beratungsinstrument wissenschaftlich evaluiert und besonders für die angesprochene Zielgruppe geeignet). Das Programm "MOVE – Motivierende Kurzintervention mit konsumierenden Jugendlichen" mit dem Schwerpunkt „exzessiver Mediengebrauch" bietet eine gute Grundlage, um mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und zur Reflexion anzuregen.
Eine große Bedeutung kommt außerdem dem systemischen Ansatz in der Beratung zu. Insbesondere wenn das Ziel darin besteht, möglichst früh zu intervenieren, ist es erforderlich, das ganze Familiensystem zu betrachten, die Eltern in ihrer Präsenz zu stärken und die Jugendlichen dahingehend zu unterstützen, eigene Ziele in Bezug auf Medien und deren Nutzung zu entwickeln.
Ziele in der Beratung mit Jugendlichen
- Aktuelles Mediennutzungsverhalten einschätzen,
- Funktionalität der Nutzung aufdecken,
- Veränderungsbedarfe erarbeiten,
- eigene Kompetenzen vergegenwärtigen,
- Kommunikationsfähigkeit erhöhen,
- Erhöhung der Selbstwirksamkeit,
- Verhaltensveränderungen beginnen und unterstützen,
- Vorbereitung auf Hemmnisse und Rückschläge.
Ziele in der Beratung mit Eltern
- Haltung zur Mediennutzung reflektieren,
- Subjektive Sinnhaftigkeit der Nutzung des Kindes erkennen,
- Wiederherstellung der Erziehungsfähigkeit,
- Verständnis für das Verhalten des Kindes fördern,
- Verbesserung der Kommunikation im Familiensystem,
- Moderation von Regeln und Konsequenzen (Mediennutzungsvertrag),
- Entwicklung von Alternativen zum Spielen, Chatten, Surfen.
Künstliche Intelligenz (KI) in der Beratung
Im Jahr 2022 wurde ChatGPT veröffentlicht. Menschen nutzen KI äußerst vielfältig, u.a. auch für Beratungsanfragen. Darin liegen auch Chancen für Beratungssuchende, um barrierefrei und rund um die Uhr Informationen zu finden. Der Datenschutz spielt dabei eine wichtige Rolle, da es sich oft um persönliche und gesundheitsbezogene Daten handelt. Einen Überblick über das Thema geben das Potsdamer Memorandum (2024) sowie der Infobrief der Geschäftsstelle der Suchtkooperation NRW "Künstliche Intelligenz in der Suchthilfe" (2025). Auch die Entwicklung von spezialisierten KI geht voran wie z.B. "SuchtGPT" durch das Bundesgesundheitsministerium und das Projekt KIA (KI-gestützte Assistenz für digitale, psychosoziale Beratung) des Instituts für E-Beratung (Technischen Hochschule Nürnberg) und der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V. (bke) mit der bke-Onlineberatung.
Die britische Studie "Me, myself and AI" (2025) zeigt, dass 64 Prozent der 9- bis 17-Jährigen KI-Chatbots wie ChatGPT, Google Gemini oder Snapchat My AI nutzen. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf Hilfestellung bei Schulaufgaben – ähnlich wie in Deutschland – und emotionaler Unterstützung. Die Studie benennt Risiken durch fehlende Schutzmaßnahmen wie z.B. Altersbeschränkungen, Datenschutz und ungeprüfte Ratschläge.
- Knapp ein Viertel der Kinder, die KI nutzten, holten sich persönlichen Rat ein.
40 Prozent vertrauten deren Antworten uneingeschränkt. - 12 Prozent der Kinder gaben an, sie hätten niemanden sonst zum Reden, bei vulnerablen Kindern waren es 23 Prozent.
- Viele Kinder gaben auch an, KI zu nutzen auf der Suche nach Freundschaft und Begleitung. 50 Prozent meinten, es fühle sich so an, wie mit einem Freund zu sprechen (vgl. Studie Me-Myself and AI, London 2025).